Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Saarbrücker Schloß

Siedlungsstelle, Grafenburg, Fürstenschloß (4. Jahrhundert bis 1793)

Siedlungsspuren aus gallo-römischer Zeit sind auf dem einstigen Saarbrocken, dem (früher wesentlich markanteren) Schloßfelsen des Saarbrücker Schlosses, gefunden worden. Auf dem Felsen stand vermutlich ab dem 9. Jahrhundert das „castellum sarabrucca“ als Sicherung des Saarübergangs der Königsstraße zwischen Worms und Metz. 999 erstmals erwähnt, erlebte es bereits als mittelalterliche Burg der Grafen von Saarbrücken mehrere Phasen des Aus- und Umbaues und der Zerstörung. Das modernisierte Renaissanceschloß des Grafen Ludwig von Nassau-Saarbrücken entstand, nach fast völligem Abriß der mittelalterlichen Anlage, zwischen 1563 und 1617 unter renommierten Architekten, darunter dem Baumeister Heinrich Kemptner aus dem lothringischen Vic-sur-Seille. Es wurde 1677 während einer lothringischen Belagerung wie die Stadt durch Brand weitgehend zerstört.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts führte der Saarlouiser Baumeister Josef C. Motte (genannt la Bonté) den Wiederaufbau des Südflügels in barockem Stil durch. Der Turm erhielt 1698 eine Haube, die flußaufwärts gelegenen, geschleiften Bastionen wurden zum terrassierten Lustgarten umgestaltet: durch Abschrotung des Schloßfelsens und eine 25000 Taler teure Flußbegradigung mit Mauerbau, zwecks besserer Symmetriewirkung des rechteckigen Gartens, der 1697–1713 im barocken Stil nach dem Vorbild von Versailles (Le Nôtre, 1662) gestaltet wurde. Eine weitere Mauer zur Saar wurde wegen der gewünschten rechteckigen Gartenform für 100000 Gulden errichtet. 1738 wurde das Renaissanceschloß seinerseits abgerissen, um den von Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken gewünschten Bau einer reinen Barockresidenz zu verwirklichen. Der Schloßgarten wurde im Anschluß daran 1760–1764 ebenfalls verändert und dabei auch im unteren Teil durch Hofgärtner Ludwig Koellner unter Oberaufsicht von Hofbaumeister Friedrich Joachim Stengel gestaltet. Ab 1768 bezog man auch die neueste Mode des englischen Landschaftsgartens ein. Bei der Erstürmung durch die französischen Revolutionstruppen im Mai 1793 wurde das Schloß geplündert. Der Nordflügel geriet in Brand, vermutlich durch preußische Artillerie von der St. Johanner Flußseite her.

Schloß zum Wohnen – am Stück und in Scheiben (1793–1908)

Nach der Zerstörung wurden die Schloßruine und der Garten 1809/1810 in sieben Parzellen geteilt und an Saarbrücker Bürger verkauft; die fragmentarisch erhaltenen Terrassen des Gartens wurden im 19. Jahrhundert umgestaltet, eine Mauer zur Tal- und Spichererbergstraße und ein Pavillon zur Saar hin gebaut. 1955 wurden sie unter Leitung von Oswald Sauer teilweise restauriert und dabei wieder etwas umgestaltet. Die Terrassen wurden nach ihrer Restaurierung durch die Architekten Hanno Dutt und Gerhard Hegelmann im Jahr 2000 wieder eröffnet; die Terrassen tragen heute dem barocken Zustand wie den späteren Umgestaltungen Rechnung. Den Wiederaufbau am Schloß im 19. Jahrhundert leiteten zunächst Johann Adam Knipper, ein ehemals Stengelscher Werkmeister, und sein gleichnamiger Sohn. Sie wandelten die Reste des Nordflügels in eine dreigeschossige Reihenhausanlage um, den sogenannten Knipper-Flügel. Der mittlere Pavillon des Schlosses wurde im Auftrag seines Besitzers Carl Ferdinand von Stumm 1872 abgerissen und unter Leitung von Hugo Dihm durch einen historisierenden Neubau nach dem Vorbild der französischen Renaissance ersetzt.

Sitz im Schloß – Verwaltungen des 20. Jahrhunderts

Zwischen 1908 und 1920 diente das Schloß als Verwaltungszentrum des Landkreises Saarbrücken. Der Nordflügel wurde ab dem 1. April 1935 bis 1945 als saarländische Zentrale der Gestapo genutzt. Als Gestapo-Leitstelle für die Westmark war sie seit 1940 auch für das faktisch annektierte Lothringen zuständig. Auch viele der von der Vichy-Regierung entsprechend dem Waffenstillstandsvertrag ausgelieferten Spanienkämpfer und deutschen Emigranten wurden auf ihrem Weg in die deutschen Gefängnisse und Konzentrationslager über diese Leitstelle befördert, zu der auch das besonders grausame „Erweiterte Polizeigefängnis“ Neue Bremm gehörte. 1938 terrassierte man den Schloßplatz durch Bau einer Freitreppe zwecks Abhaltung von nationalsozialistischen Feiern und Freilichtspielen; bei den dazu nötigen Bauarbeiten fanden sich im Zuge von archäologischen Grabungen einige Reste der mittelalterlichen Bausubstanz des Schlosses. Der Nordflügel des Schlosses brannte 1944 durch Bomben aus. Nach dem Krieg wurde das Schloß wieder von verschiedenen Verwaltungen genutzt, darunter zeitweise auch vom Landesamt für Verfassungsschutz. Seit 1974 beherbergt das Schloß die Verwaltung des Stadtverbandes Saarbrücken. Der Stadtverband ist eine Verwaltungseinheit, die 1974 im Zuge der bundesdeutschen Gebietsreform geschaffen wurde. Das Gebiet des Stadtverbandes umfaßt die Landeshauptstadt Saarbrücken, die Städte Völklingen, Sulzbach, Friedrichsthal und Püttlingen sowie die Gemeinden Großrosseln, Heusweiler, Kleinblittersdorf, Quierschied und Riegelsberg.

Stengel oder Böhm?

Bereits in den 1950er Jahren begannen die Diskussionen um die denkmalgerechte Restaurierung des teilweise zerstörten und gänzlich restaurierungsbedürftigen Schlosses. Wiederaufbau des Stengelschen Fürstenschlosses oder Erhaltung des seit 1793 herausgebildeten Zustandes waren die Alternativen. Man begann zunächst mit dringenden Restaurierungsarbeiten. Dabei wurden archäologische Grabungen durchgeführt, die reiche Funde und weitere Teile der mittelalterlichen Burganlage zu Tage brachten. Diese Funde veranlaßten den Stadtverband Saarbrücken, im Keller des Schlosses das Regionalgeschichtliche Museum einzurichten (heute: Historisches Museum Saar). Im Schloßkeller wurde außerdem im Sommer 1975 eine erhalten gebliebene Zelle aus nationalsozialistischer Zeit gefunden, deren Inschriften auf den Wänden von den Verhören und Folterungen zeugen. Ursprünglich waren fünf solcher Zellen von der Gestapo eingebaut worden. Die originale Tür mit weiteren Inschriften verschwand unter ungeklärten Umständen kurze Zeit nach der Wiederentdeckung. Die Zelle wurde in die ständige Ausstellung „Zehn statt Tausend Jahre, 1935–1945“ des Museums integriert. 1981 entschied man sich endgültig für das „Bürgerschloß“, d.h. für die Berücksichtigung der Veränderungen seit 1793. Das heutige Schloß, das am 7. April 1989 wieder eröffnet wurde, und der Schloßvorplatz, unter dem das „Unsichtbare Mahnmal gegen Rassismus“ von Jochen Gerz liegt, ist in seiner restaurierten und ergänzten Form das Werk des Kölner Architekten Gottfried Böhm, der den gläsernen Mittelpavillon 1987/1988 als Zentrum des neuen „Bürgerschlosses“ gestaltete und 1992/1993 einen Anbau an der Talstraße für das Museum schuf – im Volksmund wird letzterer wegen seiner äußeren Form des öfteren als „Eisenbahnwaggon“ und „Sarg“ tituliert, da er, seinem Zweck entsprechend, ohne seitliche Fenster blieb. In den Architektengemeinschaften Böhm, Rosiny, Krüger, Rieger, Fissabre und Maurer übernahmen die Saarbrücker Architekten Erich Fissabre und Alfred Werner Maurer die örtliche Bauleitung und die begleitenden kunstwissenschaftlichen Studien. Das frühere Regionalgeschichtliche Museum des Stadtverbandes firmiert heute als Historisches Museum Saar. Es präsentiert die wechselvolle regionale Geschichte des Saarlandes im Kontext mit Lothringen und Luxemburg, außerdem Wechselausstellungen zu anderen historischen Themen. Zusammen mit weiteren Museen am Schloßplatz (Museum für Vor- und Frühgeschichte, Abenteuermuseum) und zahlreichen Veranstaltungen (z.B. kostenloses Sommer-Kulturprogramm des Stadtverbandes) ist das Ensemble von Schloß und Schloßplatz ein beliebter Treffpunkt für Besuchergruppen von Nah und Fern.

Quellen und weiterführende Literatur

Dittmann, Marlen, Stadtentwicklung und Wohnen, in: Rolf Wittenbrock (Hg.), Geschichte der Stadt Saarbrücken, Bd. 2, Saarbrücken 1999, S. 575-597, dort S. 588–591.

Historischer Verein für die Saargegend e.V. (Hg.), Architekturführer Saarbrücken, Saarbrücken 1998, S. 54–55.

Klimmt, Reinhard, „Wenn du nicht artig bist, kommst Du auf den Schloßplatz“. Die Gestapo an der Saar 1935–1945, in: Mallmann, Klaus-Michael/Paul, Gerhard/Scholt, Ralph/Klimmt, Reinhard (Hg.), Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen im Saarrevier, 2. Auflage, Bonn 1988, S. 166–171.

Maurer, Alfred Werner: Die Baugeschichte des Saarbrücker Schlosses und deren Erforschung, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 43 (1995), S. 177–217.

Paul, Gerhard Das nationalsozialistische Herrschaftssystem im Saarland, in: Zehn statt Tausend Jahre. Die Zeit des Nationalsozialismus an der Saar (1935–1945). Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloß, Saarbrücken 1988, S. 37–48.

Plettenberg, Inge, Die Wandinschriften in der Gestapozelle, in: Zehn statt Tausend Jahre. Die Zeit des Nationalsozialismus an der Saar (1935–1945). Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloß, Saarbrücken 1988, S. 253–265.

Stadtverband Saarbrücken (Hg.), Der Schloßgarten in Saarbrücken, Saarbrücken 2000.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.