Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Anne Hahn

Robert-Schuman-Gymnasium Saarlouis

Prälat-Subtil-Ring 2, Saarlouis

Bis zur Übernahme der Stadt durch Preußen fehlte in Saarlouis eine weiterführende Schule, da das Augustiner-Collège und spätere französische Collège im November 1815 geschlossen worden war. Es gehörte zu einer der ersten Maßnahmen der preußischen Verwaltung im Jahre 1816, ein Progymnasium in den alten Räumlichkeiten des Collège einzurichten. Mit der Diskussion um die Stadterweiterung von Saarlouis Anfang der 1890er Jahre wurde auch die Frage nach einem Neubau für diese Institution aufgeworfen, da der bestehende Raum den städtischen Ansprüchen nicht mehr genügte. Im Jahre 1893 beschloß die Stadtverordnetenversammlung trotz der erheblichen finanziellen Belastung einen Neubau des Schulgebäudes, das nach Planungen des Baurates Stübben an einer der zukünftigen Ringstraßen, dem Pfälzer Ring (heute Prälat-Subtil-Ring), errichtet werden sollte. Aufgrund des hohen finanziellen Aufwandes wurde das Gymnasium erst im Jahre 1898 eröffnet. Auf Antrag der Stadt wurde die Institution im Jahre 1902 zu einem Vollgymnasium mit der Möglichkeit zur Erlangung der allgemeinen Hochschulreife ausgebaut, verblieb aber in städtischem Besitz. Das Schulgebäude wurde während der Kriegshandlungen an der Saar weniger stark zerstört als andere Gebäude der Stadt, so daß schon am 1. Oktober 1945 der Schulbetrieb wiederaufgenommen werden konnte. Nun wurde neben Latein Französisch als erste Fremdsprache in der fünften Klasse verpflichtend eingeführt. Da die Schülerzahl in der Folgezeit stark zunahm, die Stadt aber nicht über die zu einem Ausbau oder Neubau der Schule notwendigen Mittel verfügte, wurden Verhandlungen über eine Verstaatlichung des Gymnasiums aufgenommen, die mit dem Übergang in staatlichen Besitz am 1. Oktober 1949 ihren erfolgreichen Abschluß fanden. Im Zuge von Erweiterungsmaßnahmen wurde nun das Hauptgebäude aufgestockt und das Nebengebäude neu eingerichtet.

Das Platzangebot erwies sich aber schon in den folgenden Jahren als unzureichend, so daß der Schulleiter sich um einen Neubau für die Schule bemühte. Diesen Wünschen wurde nach der Rückgliederung an die Bundesrepublik im Jahre 1958 statt gegeben, als die saarländische Regierung beschloß, ein neues Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Gertrudenstifts, auf dem alten Hornwerk im Stadtgarten zu errichten. Im Jahre 1960 wurden die neuen Räumlichkeiten des heutigen Gymnasiums am Stadtgarten – zunächst ein reines Knabengymnasium – bezogen. Das Gebäude am Prälat-Subtil-Ring bot dem Mädchengymnasium neuen Platz. Dieses war aus der ehemaligen Höheren Töchterschule hervorgegangen, die ebenfalls im Zuge der Entfestigung und Modernisierung der Stadt im Jahre 1901 an der Lothringer Straße errichtet worden war. Ebenso wie das Knabengymnasium war auch diese Schule 1949 in eine staatliche Schule umgewandelt worden. Außerdem erfolgte 1978 die Umbenennung in Robert-Schuman-Gymnasium als Ehrung des französischen Außenministers. In seinem Geiste wird auch heute in der Schule unterrichtet: Seit einigen Jahren wird hier verstärkt Französisch in Gestalt des bilingualen Unterrichts angeboten, seit Anfang des Schuljahres 1999/2000 haben die Schüler zudem die Möglichkeit, das Abibac abzulegen.

Die Entwicklung des Gebäudes wie des Gymnasiums ist also in mehrfacher Hinsicht Ausdruck einer wechselvollen Geschichte. Die vorläufige Nutzung der Räumlichkeiten des französischen Collèges für das nach 1815 neugeschaffene Progymnasium zeigt eine räumliche Kontinuität und ist somit sichtbares Zeichen der Kulturpolitik der neuen Besitzer: Nicht Aufbau einer preußischen Stadt auf einer tabula rasa, sondern vielmehr Fortführung traditioneller Strukturen zu einer langsamen und behutsamen Hinführung an die neuen Gegebenheiten war das Ziel der preußischen Verwaltung. Die Lage des neuen Gebäudes von 1898 auf dem ehemaligen Festungsgelände und gleichzeitig an einer der neuen Hauptverkehrsadern der Stadt verdeutlicht die Vermischung von französischer und deutscher Geschichte. Das Schulgebäude ist ebenso wie das Amtsgericht und der heutige Prälat-Subtil-Ring Symbol der Neuordnung der Städtelandschaft im saarländisch-lothringisch-luxemburgischen Raum. Von Bedeutung ist dabei, daß mit seinen Planungen in Saarlouis der für Stadterweiterungen berühmte Baurat Josef Stübben aus Köln eine langjährige Verbindung mit dem Grenzraum an der Saar einging: Es folgten Aufträge aus Metz und Thionville. Alle drei Städte weisen also eine Gemeinsamkeit auf: Von Sebastien le Prêtre de Vauban erbaut oder umgebaut, erfolgte ihre Entfestigung weitgehend nach den Konzepten Stübbens. Aber auch die Benennung der Schule nach 1960 ist interessant. Mit Robert Schuman wählte man eine Persönlichkeit, deren Biographie ebenso bewegt ist wie die Geschichte der Stadt. In seiner Amtszeit als Außenminister wirkte er an der Gründung der Montanunion mit und prägte somit – trotz aller Anfeindungen – maßgeblich die frühen Phasen deutsch-französischer Verständigung nach 1945.

Quellen und weiterführende Literatur

Bonnaire, Heiner, 300 Jahre Gymnasium am Stadtgarten Saarlouis, Saarlouis 1991.

Fontaine, Lothar/Loew, Benedikt/Pohl, Erich, Saarlouis wie es früher war, Gudensberg-Gleichen 1999.

Hahn, Anne, Die Entfestigung der Stadt Saarlouis, St. Ingbert 2000.

Kretschmer, Rudolf, Die Geschichte der Kreisstadt Saarlouis, Saarlouis 1982.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.