Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Deutsch-Französische Begegnungsstätte Schaumberg

Begegnungsstätte, Im Kloster 1, sowie Schaumbergplateau, Tholey; Schaumbergkreuz, Zum Schaumbergkreuz, Sotzweiler/Tholey

Baugeschichte

In den 1890er Jahren entstand auf dem Schaumberg ein erster Aussichtsturm in Form eines einfachen Holzgerüstes mit Leiter, das einem Hochsitz gleichkam. Dieser Turm von ca. 20 m Höhe wurde 1913/1914 aufgegeben und verfiel allmählich. Statt dessen strebte man seit der Gründung des Tholeyer Denkmalausschusses (25. Februar 1912) an, einen Kaiser-Wilhelm-Turm zu errichten. Familie Scheid aus Tholey trat ihren Grundbesitz auf dem Schaumbergplateau an den Denkmalausschuss ab. Das Denkmal auf dem Berg sollte ein „Wahrzeichen deutscher Vaterlandsliebe und deutscher Kaisertreue“ sein, wie es in der damaligen Werbebroschüre hieß. Ein Sparbuch wurde eingerichtet, Spendenaufrufe und eine Lotterie mit Naturaliengewinnen für Haus und Hof veranstaltet, um dem Kreis Ottweiler die Finanzierung der Baukosten zu erleichtern. Angesichts der regen Beteiligung hoffte man, den Turm bald fertigstellen und Kaiser Wilhelm II. anläßlich der Jahrhundertfeier der Zugehörigkeit der Rheinlande zu Preußen 1915 widmen zu können. Die Planung des Kaiser-Wilhelm-Turmes oblag dem seit 1907 amtierenden Kreisbaumeister des Kreises Ottweiler, Dr. Ing. Otto Eberbach (geboren 1876 in Stuttgart).

Eberbachs Entwurf aus dem Jahr 1914 ist erhalten. Er zeigt einen wuchtigen, gestuften Turm mit mehreren Aussichtsplattformen, der an das Leipziger Völkerschlachtdenkmal von 1913 erinnert. Das monumentale Denkmal, vom Historismus geprägt und vom Jugendstil beeinflußt, ahmte Formen mehrerer Stilepochen nach: altägyptische Zeit, griechische Antike und Romanik. Der Kern aus Eisenbeton sollte außen mit Naturstein ummantelt werden. Eberbach plante den Turm als Gesamtkunstwerk in der Landschaft, um eine „monumental-würdige Wirkung im stimmungsvollen Grün“ hervorzubringen. Eine harmonische Verbindung von technischer Gestaltung und Landschaft, von Kunst und Natur, sollte insbesondere durch die Ummantelung mit dem lokal gewonnenen Tholeyitgestein entstehen. Im Inneren des Turmes war im Erdgeschoß eine archaisierte Ritterfigur geplant, etwa ein St. Georg, der vor der dynamisch nach oben strebenden Wendeltreppe stehen und baulich mit dieser ein Ganzes bilden sollte, um die Stärke und Macht des Reiches zu symbolisieren. Der Bauauftrag ging an die Firma Georg Maar aus Dirmingen, deren Offerte über 25725 Mark die niedrigste von sechs Kostenvoranschlägen gewesen war. Die Grundsteinlegung fand in festlichem Rahmen am 28. Juni 1914 statt und die Bauarbeiten begannen kurz danach. Bei Kriegsausbruch war der Turm erst knapp über das Eingangsportal bis rund 5 m Höhe fertiggestellt. Eberbach versuchte nach dem Krieg vergeblich bis zu seiner Pensionierung (1925), eine Wiederaufnahme der Bauarbeiten zu erreichen.

Währenddessen hatte sich in Saarbrücken ein Bauverein gegründet mit dem Ziel, eine Kriegergedächtniskapelle für die gefallenen Saarländer zu errichten. Initiator des Vereins war der Zentrumspolitiker Bartholomäus Koßmann, der seit 1924 saarländisches Mitglied der Regierungskommission des Völkerbundes war. Familie Scheid, im Verein vertreten, stellte ihr Baugrundstück nun für dieses Ziel zur Verfügung. Der Trierer Bischof Dr. Franz Bornewasser übernahm die Schirmherrschaft und forderte die Bevölkerung zu Spenden auf. Zum Förderkreis des neuen Bauwerks gehörte unter anderem Nikolaus Warken, genannt Eckstein, der 1890–1892/1893 mit dem Rechtsschutzverein die erste gewerkschaftliche Organisation des Saarreviers ins Leben gerufen hatte. Wie 1912 organisierte man Spendenaufrufe und eine landesweite Lotterie, und wieder war die Beteiligung der Bevölkerung sehr rege.

Der Kasseler Architekt Moritz Gombert, seit 1902 in Saarbrücken ansässig und Planer von Kirchen und Krankenhäusern, erhielt den Auftrag für die Kriegergedächtniskapelle mit Aussichtsturm. Gombert legte bereits 1926 die Pläne für eine wuchtige, fünffach gestaffelte Turmanlage in expressionistischen Formen vor, die von einem breit ausladenden gotisierenden Kapellenbau begleitet sein sollte. Der Kapellenbau wurde jedoch schmaler als der Turm, wesentlich kleiner und in romanisierenden Formen ausgeführt, die Steinskulpturen zweier Engel am Eingang entfielen dabei. Die geplante Kreuzigungsgruppe wurde auf ein 13 m hohes Kreuz in der Mitte des durchbrochenen Turms reduziert, das den Gekreuzigten als Sieger zeigte. Der Entwurf zum Kreuz stammte von Josef Mettler (Morbach/Hunsrück), der auch Kirchenmöbel für die Benediktinerabtei Tholey fertigte. Die Grundsteinlegung am 15. September 1929 und die Einweihung am 24. August 1930 fanden jeweils in feierlichem Rahmen statt. Bauliche Mängel erforderten 1949 kleinere Renovierungsarbeiten am Turm, wobei zusätzliche Fensteröffnungen in den oberen mittleren Bauteil gebrochen wurden. Der archaisch wirkende Monumentalbau von 36,60 m Höhe mußte 1966 wegen Baufälligkeit für den Publikumsverkehr geschlossen werden.

Begegnungsstätte

In den 1960er Jahren initiierten die Gemeinde Tholey, der Landkreis St. Wendel und die Benediktinerabtei Tholey mit Unterstützung der Landesregierung, der französischen Botschaft (Bonn) und des französischen Generalkonsulats (Saarbrücken) eine Deutsch-Französische Begegnungsstätte auf dem Schaumberg. Ein Verein wurde gegründet, der einen Architektenwettbewerb ausschrieb. Von den 111 beteiligten Architekten wurde der 1. Preis Jean-Marie Collin (Nancy) zugesprochen. Collins Entwurf sah für den Aussichtsturm zwei zueinander geneigte, schlanke, spitz zulaufende Türme aus Stahlsichtbeton als Symbole der beiden Länder vor, die zum Zeichen der Freundschaft wie eine ins Unendliche gehende Himmelsleiter durch sieben offene Plattformen als Quersprossen verbunden sein sollten. Die Treppe sollte mit freier Aussicht nach den Seiten von Plattform zu Plattform geführt werden, also den freundschaftlichen Bezug durch Nutzung praktizieren. Am Fuß sollte ein vielfach gegliederter, flacher Baukörper die Tagungsstätte aufnehmen. Der Entwurf scheiterte trotz intensiver politischer Bemühungen an der Finanzierung. Nun wurde beschlossen, die Kriegergedächtniskapelle lediglich zu restaurieren, und der Architekt Werner Klees (Marpingen) damit beauftragt. Das Kreuz aus dem ehemals durchbrochenen Mittelteil wurde bei Sotzweiler an der A 1 neu aufgestellt. Der alte Turm wurde bis auf eine Höhe von 13 m abgetragen und der Rest in einen neuen Turm integriert. Dessen Bau nahm die Formgebung der alten Kriegergedächtniskapelle auf, verzichtete aber auf die zweifache Abstufung zu beiden Seiten des nun geschlossenen Mittelteils, wodurch nur noch drei statt der vorherigen fünf Aussichtsplattformen entstanden. Der aus Stahlbeton und teilweise aus weißem Poroton-Mauerwerk bestehende Turm wurde 34,8 m hoch aufgeführt; die zwei seitlichen Plattformen sind inzwischen wegen Baufälligkeit für den Publikumsverkehr gesperrt. Im kleinen Mitteldurchbruch des neuen Turms befindet sich zu ebener Erde eine offene Kapelle für die Gefallenen beider Nationen als Mahnmal des Friedens. Ihre plastische Gestaltung wurde von Richard Hoffmann (Lebach) entworfen. Eine Bronzeplastik im Bogenfeld von 4 x 4 m zeigt ein Geflecht ineinander verstrickter Körper und symbolisiert die Ausweglosigkeit verfeindeter Völker. Der Altar aus zwei Marmorblöcken mit den Jahreszahlen der drei letzten Kriege ist von einem Bronzeband umgeben, das den Friedenswillen darstellt. Vor dem Altar befinden sich zwei bronzene Schranken aus Händen und Köpfen, die aufeinander zustrebend zum Frieden unter den Völkern mahnen. Am 19. September 1976 wurde der Turm in Anwesenheit des Schirmherrn, Ministerpräsident Franz-Josef Röder, als „Stätte der deutsch-französischen Freundschaft und Mahnmal für den Frieden zwischen den Völkern“ feierlich eingeweiht. In der Kapelle fanden nach der Einweihung anfangs regelmäßig Gottesdienste statt.

Regionalhistorischer Kontext

Der Schaumberg (571 m) mit seinem nach Südwesten vorgelagerten Plateau überschaut die umliegende Landschaft des nördlichen Saarlandes. Als einzeln aufragender Berg ist er bei guter Sicht rund 30 km weit zu sehen. Daher zog dieser Berg seit Jahrhunderten Menschen an, die sich auf seinem Plateau sicher fühlten, ebenso diejenigen, welche die Landschaft militärisch überwachen wollten. Der Aufenthalt von Kelten und Römern ist durch Funde belegt. Zu römischer Zeit gab es auf dem Schaumbergplateau ein Wall- und Wehrsystem. Im Mittelalter ragte hier eine Befestigung empor, die Schauenburg. Das 19. Jahrhundert pflegte ein romantisches, verklärendes Verhältnis zur Natur. Man begann an geeigneten Plätzen mit dem Bau von Aussichtstürmen. Im späten 19. Jahrhundert wurden im Zuge der nationalen Euphorie außerdem zahlreiche Turmbauten errichtet und nach zeitgenössischen Herrschern oder Politikern benannt. Der Kaiser-Wilhelm-Turm von 1912/1914 reihte sich in die breite Denkmalbewegung im Reich ein. Das Projekt der Kriegergedächtniskapelle von 1925/1930 vereinte in einer für den Grenzraum charakteristischen Weise religiöse Zielsetzung und nationalpolitisches Projekt: Die katholische Kirche und die Zentrumspartei übernahmen als federführende Instanzen der Planung die Rolle, die sonst die deutschen Behörden innegehabt hätten, im abgetrennten Gebiet aber nicht wahrnehmen konnten. Der Schaumberg als höchste Erhebung des Saargebietes schien den Zeitgenossen der richtige Ort für die steinerne Demonstration nationaler Trauer, von dem aus die burgartige Kapelle als Mahnmal über ein Land ragte, das faktisch von Frankreich kontrolliert wurde. Damit wurde symbolisch der politische Anspruch Frankreichs unter Verweis auf die Kriegsopfer zurückgewiesen und das Recht auf nationale Selbstbestimmung inszeniert. Der expressionistische Bau erinnerte in seiner pseudo-archaischen Monumentalität stark an eine Trutzburg und damit an die Planungsziele der Kaiserzeit. Nach dem Abschluß des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages (1963) suchte man im Bewußtsein der konfliktreichen Vergangenheit beider Völker dem baufälligen Denkmal auf dem Schaumberg eine neue Ausrichtung zu geben. Im Gegensatz zu den früheren, national orientierten Turmbauprojekten gelang es jedoch nicht, die Finanzierung zur Sache der gesamten Bevölkerung zu machen, was Collins Entwurf letztlich zu Fall brachte. Klees hatte sich dann an einer veränderten Aufgabe und einem eng gesteckten Finanzrahmen zu orientieren. Seinen Entwurf zu kritisieren, weil keine harmonische Verbindung zwischen Natur und Kunst gegeben sei und sich Verkleidungsmaterial „keineswegs in die natürliche Landschaft einfügt“ (Feilen, S. 17), geht nicht nur am Finanzproblem, sondern am zentralen architektonischen Problem der Restaurierung vorbei: Während der Entwurf von Collin den Gedanken der Versöhnung und Freundschaft früherer Feinde als Konstruktionsprinzip hervorhob, behielt Klees die Monumentalbauweise der Saargebietszeit bei, die diesem Gedanken baulich zuwiderläuft. Der Friedensgedanke in den Plastiken von Hoffmann konnte daher das architektonische Übergewicht des modifizierten Monumentalbaues nicht wirksam neutralisieren.

Quellen und weiterführende Literatur

Feilen, Elisabeth, Türme auf dem Schaumberg zu Tholey, hg. von der Gemeinde Tholey, Tholey 1992.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 240.

Die Verfasserin dankt an dieser Stelle Herrn Saar und Herrn Uwe Schneider, beide Angehörige der Gemeindeverwaltung Tholey, für ihre Unterstützung.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.