Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Villeroy & Boch

Ehemalige Töpferwerkstatt, Audun-le-Tiche; Werkshalle und Schloß Septfontaines, Luxemburg; Generaldirektion Alte Benediktinerabtei, Saaruferstraße, Schloß Ziegelberg, Siebendstraße, Schloß Saareck, Saareckstraße, sowie Katholische Pfarrkirche St. Lutwinus, Prälat-Kroll-Straße, Mettlach; Ehemalige Steingutfabrik, Schloß Villeroy und Nebengebäude, Hauptstraße 58, Haus Christophorus, Villeroystraße 3, Reste des Schlosses von Papen, Hauptstraße 11, Schlachthausweg 3 und Wallstraße 2, Villa Fayence, Hauptstraße 12, Ensemble ehemaliges Rathaus und Schulhäuser, Alicenstraße 2 und 4, Louisenstraße 3, sowie St. Nikolaus-Hospital, Hospitalstraße 5, Wallerfangen; Ehemalige Cristallerie, Saarstraße 14, sowie Ehemalige Grube Hostenbach, Provinzialstraße 26, Wadgassen; Gestüt und Jagdschule Linslerhof, Überherrn

Villeroy & Boch verkörpert sowohl in seiner über 250jährigen Unternehmensgeschichte wie auch in der Familiengeschichte der Familien Villeroy, Boch und Galhau die vielfältigen und komplexen grenzüberschreitenden Beziehungen im Raum der Großregion Saar-Lor-Lux.

Firmensitz Mettlach

Der Vormarsch der französischen Revolutionstruppen auf Mettlach beendete 1794 die tausendjährige Geschichte der Abtei St. Peter (gegründet 695 durch den fränkischen Adligen Lutwinus, den späteren Bischof von Trier). Das Hauptgebäude der Abtei war 1727–1780 während ihrer letzten Blütezeit errichtet worden, anfänglich unter Beteiligung des Wadgasser Baumeisters Bernhard Trabucco, schließlich aber nach Plänen des aus Schlesien stammenden Baumeisters Christian Kretschmar (gestorben 1768 in Merzig). Kretschmar war neben dem fürstlichen Hofbaumeister Friedrich Joachim Stengel (1694–1787) der wichtigste Barockbaumeister an der Saar, wovon bis heute die monumentale Hauptfassade der Abtei am Saarufer mit ihrem reichhaltigen Ornamentschmuck zeugt. Der zweigeschossige Baukörper erhielt seitliche Risaliten. Die rückwärtigen Höfe wurden bis 1780 nur teilweise begonnen.

Unter französischer Herrschaft wurde das Abteigebäude säkularisiert, ging in Staatsbesitz über und stand bis 1809 leer, als Jean François Boch es aufkaufte, um dort eine Steingutfabrik zu errichten. Zur Zeit der Mettlacher Gründung 1809 verfügte die Unternehmerfamilie bereits über jahrzehntelange Erfahrung in Keramikherstellung, die mit der Töpferwerkstatt des Eisengießers François Boch im nahen lothringischen Dorf Audun-le-Tiche (an der luxemburgischen Grenze) begonnen hatte. Dieser erste Betrieb bestand zwischen 1748 und 1870. Boch gründete 1766 eine Fayencerie im luxemburgischen Septfontaines, um die dortigen Steuervorteile zu nutzen, da Luxemburg zu diesem Zeitpunkt österreichisch war. Eine alte Fabrikhalle und der damalige Familiensitz Schloß Septfontaines erinnern an diese zweite Gründung. Die vielfach veränderte alte Fabrik in Mettlach ist heute Sitz des weltweit operierenden Konzerns Villeroy & Boch. Im Zuge der Erweiterung der Unternehmenstätigkeit wurden während des 19. Jahrhunderts mehrere historistische Werksgebäude im Abteihof hinzugefügt, von denen sich die Fassade des linksseitigen Anbaus (errichtet um 1900) in Materialauswahl und Gestaltung auf die historische Bausubstanz der Abtei bezieht, während bei anderen Anbauten der barocke Bau zugunsten wirtschaftlichen Nutzens ignoriert wurde. Im denkmalgeschützten Hauptgebäude können heutige Besucher der sogenannten Keravision, einer multimedialen Inszenierung der Unternehmensgeschichte, die Firmenentwicklung und Abläufe der Keramikherstellung kennenlernen. Die Produktpalette von Villeroy & Boch umfaßte zunächst Tafelgeschirr, ab 1869 kamen Fliesen hinzu, die bekannten Mettlacher Platten, und ab 1905 auch Sanitärkeramik. Weiterhin wurden zahlreiche Nebenzweige keramischer Produktion betrieben. Zu den spektakulärsten Arbeiten zählen die Ausstattung des russischen Hofes in St. Petersburg mit Fliesen, die Ausstattung der Titanic mit Sanitärkeramik, Terrakottastatuen am bayerischen Schloß Herrenchiemsee sowie die Restaurierung des bedeutenden Mosaiks der römischen Villa Nennig in der saarländischen Gemeinde Perl. Eugen Boch, der das Unternehmen zu internationaler Geltung führte, erhielt für seine unternehmerischen Verdienste 1882 von Kaiser Wilhelm I. das erbliche Adelsprädikat. Heute gehören etliche Werke in Deutschland, Luxemburg und Frankreich sowie in vielen weiteren Ländern zu „V & B“, wie der Unternehmensname im Volksmund oft abgekürzt wird.

Familie Boch, ein preußischer Kronprinz und König Johann von Böhmen

Einen gußeisernen Brunnen schenkte der preußische Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 1838 der Familie Boch. Der Entwurf zum Brunnen stammt von Carl Friedrich Schinkel, dem damaligen preußischen Hofbaumeister und Mitbegründer der deutschen Denkmalpflege. Zwei Brunnenbecken übereinander tragen Löwenköpfe und die Widmungsinschrift. Auf der Mittelsäule steht in Ritterrüstung mit herabgelassenem Visier der blinde König Johann von Böhmen. Der denkmalgeschützte Brunnen wurde nach seiner Restaurierung 2003 wieder nahe seinem ursprünglichen Platz im Park der Abtei in Mettlach aufgestellt.

Anlaß für das Geschenk war eine Reise des Kronprinzen durch das Rheinland (1833), während der er auch für einige Zeit bei Jean François Boch wohnte. Dieser bewahrte die sterblichen Überreste König Johanns in seinem Hause auf und schenkte sie Friedrich Wilhelm. Seine Leiche war im luxemburgischen Benediktinerkloster Altmünster beigesetzt worden. Auf Umwegen kamen seine Gebeine später in den Besitz der Familie Boch.

Baumeister Schinkel wurde von Kronprinz Friedrich Wilhelm beauftragt, für die Gebeine Johanns eine Grabkapelle zu entwerfen, die 1834–1835 an Stelle der verfallenen Einsiedlerklause Kastel errichtet wurde. An der Eingangswand der neoromanischen Kapelle wurde die Abkunft des Bauherren und seiner Gattin von König Johann dargestellt. Nach Abschluß der Arbeiten wurden die Gebeine Johanns 1838 am Jahrestag der Schlacht überführt. Sie ruhten in dem eigens geschaffenen, aufwendigen Sarkophag aus schwarzem Marmor, bis sie 1946 auf Veranlassung der Besatzungsmacht nach Luxemburg in den dortigen Dom überführt wurden.

Stadtbild Mettlach

Das Stadtbild von Mettlach zeigt bis heute auf vielfältige Weise den Einfluß der Unternehmerdynastie Boch. Edmund von Boch (1845–1931) ließ oberhalb des Werkes auf einer Anhöhe 1878/1879 mit Schloß Ziegelberg eine repräsentative Villa errichten, die vermutlich von einem französischen Architekten entworfen und 1889 sowie 1907 durch Anbauten erweitert wurde. Ziegelberg ist im Stil der französischen Neorenaissance gehalten, einer damals beliebten Synthese aus italienischer Renaissance und französischen Adelsbauten, und bezeugt damit die kulturelle Anlehnung der Familie an die romanische Welt. Der architektonische Rückgriff auf Adelssitze belegt zugleich – wie im Falle von Carl Ferdinand von Stumms Schloß Halberg (Brebach/Saarbrücken) – den sozialen Führungsanspruch der Familie Boch inmitten der bäuerlichen bzw. von Arbeiter- und kleinen Bürgerhäusern geprägten Umgebung der Kleinstadt Mettlach. Das luxuriöse Gebäude, im Stil typisch für bürgerliches Bauen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wurde 1939 an die Stadt Mettlach verkauft und beherbergt seit seiner Restaurierung 1979 das Keramikmuseum von Villeroy & Boch. In dem denkmalgeschützten Gebäude wird die Produktplalette vom einfachen Tischgeschirr bis zu Luxusartikeln wie der Waschgarnitur des bayerischen Königs Ludwigs II. gezeigt – von den Anfängen in Audun-le-Tiche bis heute. Zusätzlich zu Schloß Ziegelberg entstand 1901–1903 im Auftrag von Eugen von Boch auf der anderen Saarseite mit dem neoromanischen Schloß Saareck ein weiterer luxuriöser Familiensitz, zu dessen Nebenanlagen das ehemalige Boch’sche Privatgestüt von 1854 zählt. Beide liegen in einer öffentlich zugänglichen Parkanlage, die Eugen von Boch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts anlegen ließ. Das denkmalgeschützte Schloß Saareck, seit 1954 als repräsentatives Gästehaus des Unternehmens genutzt, orientiert sich am architektonischen Vorbild von Schloß Gondorf (Mosel). Der Architekt Karl August von Cohausen (Trier) war Bochs Berater bei einer für damalige Verhältnisse vorbildlichen denkmalschützerischen Leistung, die auf Anregung Carl Friedrich Schinkels ausgeführt wurde: der Sicherung der Ruine des Alten Turmes, eines oktogonen, zweigeschossigen Zentralbaus des 10. Jahrhunderts, der im Park neben der Abtei steht und der letzte Bau der ersten Mettlacher Abtei ist (errichtet 989 unter Abt Lioffin). Schinkel hatte sich bei einer Reise durch die Saargegend für den Erhalt des teilweise verfallenen, vom Abriß bedrohten Turmes eingesetzt. Der Alte Turm zählt heute zu den bedeutendsten Denkmalen des Saarlandes. Familie Boch stiftete außerdem als Ersatz für die 1819 abgerissene mittelalterliche Abteikirche St. Peter den Bau der dreischiffigen neoromanischen Lutwinuskirche, errichtet 1842–1846 im Auftrag Eugen Bochs nach einem Entwurf Cohausens, und finanzierte 1901 deren Umbau nach Plänen der Mainzer Architekten Ludwig Becker und Anton Falkowski. Mosaike und Bodenfliesen der denkmalgeschützten Kirche stammen aus dem Werk. Die Mosaike nach Entwürfen von Bernhard Gauer (1935) zeigen die Legende von Abteigründer Lutwinus.

Sozialpolitik und Löhne

Die Tätigkeit des Unternehmens prägte seit jeher das Leben der Menschen in und im weiten Umkreis um Mettlach. Die stark spezialisierten Tätigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erforderten künstlerische, handwerkliche und technische Fähigkeiten. Die sogenannten „Dippches“ (Töpfe) brauchten ein hohes Maß an Geschicklichkeit, Augenmaß und jahrelange Übung. Die spezialisierte Arbeiterschaft war vom Unternehmen abhängig. Ihre Löhne waren wegen dieser Abhängigkeit bis zum Zweiten Weltkrieg sehr gering, besonders die der Frauen, obwohl gerade viele Frauen wegen ihrer besseren Feinmotorik mit der Handbemalung der Stücke betraut waren. Das Unternehmen sorgte aber auch für verschiedene Sozialeinrichtungen: Es errichtete beispielsweise um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Mettlach eine öffentliche Badeanstalt, die aus drei Abteilungen bestand: zwei für die „gute Gesellschaft“, getrennt nach Frauen und Männern, sowie eine Abteilung für das „einfache Volk“. Die Gebäude der Badeanstalt sind nicht mehr vorhanden.

Als inzwischen einziger großer Arbeitgeber der Keramikindustrie an der Saar hat Villeroy & Boch auch heute eine Monopolstellung auf dem regionalen und lokalen Arbeitsmarkt für Facharbeiter und Angestellte dieses Industriezweigs, seine frühere Bedeutung als nahezu einziger industrieller Arbeitgeber an der unteren Saar hat sich jedoch weitgehend relativiert.

Steingutfabrik Wallerfangen

Mit der Manufaktur der Fayencerie Wallerfangen, gegründet 1785 von dem Lothringer Nicolas Villeroy und als spätere Steingutfabrik Wallerfangen noch bis 1931 in Betrieb (danach abgerissen), bestand zeitweise ein konkurrierendes Keramikunternehmen zum Bochschen Betrieb. Die Konkurrenzsituation zwischen Villeroy in Wallerfangen und Boch in Mettlach wurde durch die Fusion der beiden Firmen im Jahr 1836 und die Heirat der Erbin Octavie Villeroy (1823–1899) mit dem Erben Eugen Boch (1809–1898) im Jahre 1842 beseitigt. Familie Villeroy erwarb zwischenzeitlich als repräsentatives Wohnhaus das aufwendige, im Stil französischer Landschlösser gestaltete Schloß an der Engt (benannt nach der Wallerfanger Engt, einer gefährlichen Engstelle mit Strudeln in der Saar), das 1794 für den französischen Adligen Lasalle de Bombon en Brie errichtet worden war. Das heute denkmalgeschützte spätbarocke Schloß hat einen fünfachsigen Mittelbau mit vorgewölbter Eingangsachse und Balkon über dem Eingang; die dreiachsigen Seitenrisaliten springen gegenüber dem Mittelbau vor. Der nördliche Anbau stammt aus dem 19. Jahrhundert. Das Anwesen ist von einer Mauer mit Tor eingefaßt, zur Straße hin liegen eingeschossige Nebengebäude mit hohen Walmdächern. Das denkmalgeschützte Alte Schloß oder Schloß Fabvier, heute Haus Christophorus, erbaute man 1825 für Nicolas Villeroy; es ist ein zweigeschossiger, neunachsiger Bau mit Krüppelwalmdach sowie großem dreiachsigem Zwerchhaus. Louis Villeroy ließ 1827 auf einem Vorgängerbau das Hofgut Limberg errichten, eine heute denkmalgeschützte Anlage mit Herrenhaus, Wirtschaftsgebäude und Brunnen. Die sogenannte Villa Fayence, ebenfalls unter Denkmalschutz, entstand als Direktorenvilla 1834–1835 für den Direktor der Villeroyschen Fayencerie. Sie wurde als rechteckiger kubischer Bau mit klassizistischen Detailformen gestaltet. Auf Wunsch von Madame de Thierry, der Besitzerin des Wallerfanger Schlosses, errichtete der Privatbaumeister Carl Friedrich Müller (Saarlouis) um 1870 am Nordflügel des Schlosses eine neogotische Kapelle. Bei der späteren Umgestaltung der Schloßrückfront durch Ernest Villeroy wurde die Kapelle nach Mettlach gebracht, wo sie als Erbbegräbnisstätte der Familie von Boch dient.

Soziales Engagement und bauliche Entwicklung von Wallerfangen

In Wallerfangen ließ vor allem ein Mitglied des Familienverbandes Villeroy/Boch in seiner Eigenschaft als Ehrenbürgermeister von Wallerfangen mehrere Bauten errichten, die sozialen Zwecken zugute kamen. In der Denkmalliste des Saarlandes heißt es über Nikolaus Adolph de Galhau, dem mehrere männliche Mitglieder der Familie Boch in der Position eines Ehrenbürgermeisters von Wallerfangen folgten: „Der Gutsbesitzer und Teilhaber an der Steingutfabrik Nikolaus Adolph de Galhau, der von 1850 bis zu seinem Tode 1889 Ehrenbürgermeister von Wallerfangen war, trat durch besonderes soziales Engagement hervor. U.a. war die Verbesserung der schulischen Verhältnisse Wallerfangens sein Ziel. Ab 1860 initiierte er auf familieneigenem Gelände – im südlichen Bereich des Ortes – eine geordnete städtbauliche (sic!) Erweiterung. Zentrum wurde ein Rathausneubau mit Festplatz und drei seitlich angeordnete Schulhäuser. Baubeginn war 1864, Fertigstellung 1874. Die neuen Straßen erhielten Namen der weiblichen Familienmitglieder der Galhau: Alicen-, Esther-, Gabrielen- und Louisenstraße. Der baumbestandene Festplatz – nach Westen durch eine Hangstützmauer begrenzt – wird im Osten von dem breitgelagerten Bau des Rathauses abgeschlossen“ (Denkmalliste 1996, S. 324).

Die eingeschossigen Bauten mit Mezzaninfenstern zum Dachboden hatten jeweils im traufständigen Teil den Schulsaal, im giebelständigen die Lehrerwohnung. Das Rathaus und Friedensgericht (Louisenstraße) entstand 1874. Es ist ein eingeschossiger Bau mit kurzen Seitenflügeln, auf dem Satteldach mit Uhrentürmchen versehen. Der zweigeschossige, lisenengegliederte Bau des St. Nikolaus-Hospitals in T-Form mit angeschlossener Hospitalkapelle wurde 1883–1885 ebenfalls als Stiftung von Nikolaus de Galhau errichtet.

Cristallerie Wadgassen

Die ehemalige Cristallerie Wadgassen, eines der letzten Gebäudeensembles saarländischer Glashütten, erinnert an die Blütezeit der jahrhundertealten regionalen Glasindustrie. Während die frühen Glashütten zum Teil schon im frühen 19. Jahrhundert wieder schließen mußten, weil sie sich gegen die aufkommende industrielle Massenproduktion nicht mehr behaupten konnten, wurde die Cristallerie 1843 als Unternehmen eines finanzkräftigen Konsortiums aus den saarländischen Firmen Villeroy & Boch und Karcher sowie dem gleichermaßen traditionsreichen Lothringer Glashüttenunternehmer Raspiller gegründet. Standort der neuen Kristallfabrik wurde das Gelände der ehemals mächtigen Prämonstratenserabtei Wadgassen. Deren Chorherren hatten das Kloster 1792 verlassen. Letzter baulicher Zustand vor der revolutionsbedingten Plünderung, Verwüstung und Säkularisation war der barocke Umbau des Klosterbaumeisters Trabucco von 1719–1729 unter Abt Hermann Mertz und weitere Bauten des Klosterbaumeisters Johann Heinrich Eckhardt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts unter Abt Michael Stein. Das Kloster selbst hatte eine jahrhundertealte Tradition: Der fränkische Königshof Wadegozinga wurde bereits im 10. Jahrhundert erwähnt; 1135 schenkte Graf Simon I. von Saarbrücken den Prämonstratensern den Besitz, auf dem sie im gleichen Jahr das Kloster gründeten. Als Hausabtei und Grablege der Saarbrücker Grafen war es zu einer der mächtigsten Abteien des Ordens geworden. Mehrere Umbauten erfolgten über die Jahrhunderte hinweg. Nach der Säkularisation und der Verwüstung von 1792/1793 benutzte man die Gebäude einige Jahre als Steinbruch für lokalen Hausbau. Nicolas Villeroy erwarb 1798 das brachliegende Gebäude; 1803 wurde die Abteikirche abgebrochen. Mehrere Wirtschaftsgebäude der ehemaligen Abtei sind trotz aller Veränderungen bis heute vorhanden und stehen unter Denkmalschutz (Torbau, Klostermauer, Krankenbau, Reste der Abteikirche und weiterer Gebäude der Abtei, darunter die Herberge, alle 18. Jahrhundert). Dem neuen Unternehmen gelang es, sich gegen die harte regionale Konkurrenz in Lothringen und an der Saar zu behaupten. Eugen Raspiller, Sohn des Chefs der Glashütte Fenne, Mathias Raspiller, war vorwiegend in Wadgassen als technischer Leiter tätig, nach seinem frühen Tod 1854 gefolgt von seinem jüngsten Bruder August, der sich jedoch bald aus dem Geschäft zurückzog. Alle Raspiller-Anteile wurden zum 1. Juli 1883 an Villeroy & Boch verkauft, die Fabrik ging zu diesem Zeitpunkt in den alleinigen Besitz von Villeroy & Boch über. Während die sogenannte Alte Fabrik (1883) im Jahr 1986 stillgelegt wurde und mittlerweile im Sommer als Veranstaltungsort für Theatervorstellungen und ganzjährig als Standort des Saarländischen Zweiradmuseums Wadgassen dient, wird in einem anderen Gebäude in Handarbeit hochwertiges Bleikristallglas hergestellt, wobei Besucher zusehen können. Die Alte Fabrik ist ein zweigeschossiger kreuzförmiger Bau mit großen Rundbogenfenstern. Im Inneren befinden sich Reste der alten Schmelzöfen. Die daneben liegende Schreinerei ist ein symmetrischer Bau (ca. 1880) mit flachem Satteldach und gedoppelten Rundbogenfenstern, die in Kämpferhöhe durch Gesimse verbunden sind.

Privatgrube Hostenbach

In Hostenbach ist von der ehemaligen Privatgrube Hostenbach, die von der Familie Villeroy & Boch betrieben wurde, noch das Fördermaschinenhaus des sogenannten Karl-Schachtes vorhanden. Der Schacht wurde vor 1870 abgeteuft, das einfache rechteckige Gebäude mit hohen Rundbogenfenstern und Lünettenfenster im Giebel stammt aus dieser Zeit. Die Grube wurde 1920 von der französischen Grubenverwaltung enteignet. Ebenfalls noch erhalten ist der nah gelegene eingeschossige Bau mit Ecklisenen und Zwerchhaus, der ursprünglich als Verwaltungsgebäude oder Kaffeeküche diente und später Villeroy’sches Forsthaus genannt wurde; es befindet sich noch im Besitz der Familie Boch und dient heute als Forsthaus.

Landwirtschaft, Hotel und Jagdschule

Unternehmerisch getrennt vom Betrieb der Keramikwerke gibt es auch einen landwirtschaftlichen Unternehmenszweig der Familie Boch, die seit langem Landwirtschaft und Tierzucht als Randgeschäfte betreibt. Dazu gehört das ehemalige Gut von Papen. An Stelle des späteren Schlosses und Parks von Papen lag bereits im 15. Jahrhundert ein Hofgut, Gut Niederhoffen, das über die Jahrhunderte mehrmals die Besitzer wechselte und mehrere Um- und Ausbauphasen erlebte. Die Familie de Galhau erwarb es 1830. Nikolaus Adolph de Galhau übernahm es 1862 vom Vater und begann sofort mit einer weiteren, tiefgreifenden Umgestaltung: Alle bisherigen Bauten wurden abgerissen und eine neue Schloßanlage errichtet, die gegen Ende des Jahrhunderts noch ergänzt wurde. Dazu legte der Gartenarchitekt Seitz ab 1864 einen 25 ha großen Park im englischen Stil an. Der nicht öffentlich zugängliche Park ist eine der bedeutendsten Parkanlagen im Saarland. Durch Heirat kam das Anwesen 1905 in den Besitz von Franz von Papen, nach dem es seither benannt ist. Der ehemalige Reichskanzler (Juni bis November 1932) nahm hier zeitweise seinen Wohnsitz und war vor Ort während des Abstimmungskampfes um die Saar (1933–1935) als Hitlers Beauftragter für die Rückkehr des Saargebiets zum Deutschen Reich tätig. Das Wohnhaus des Schlosses wurde 1944 bei einem Luftangriff zerstört. Erhalten ist der denkmalgeschützte Stall- und Remisentrakt aus der frühen Bauphase ab 1862. Die restlichen erhaltenen Baulichkeiten sind jünger.

Der denkmalgeschützte Linslerhof bei Überherrn gehört ebenfalls zum Besitz der Familie Boch. Der Hof ist eine kleine, für sich liegende Siedlung. Ursprünglich war die Lindenselle (Suhle an den Linden) Teil des mittelalterlichen Besitztums einer Familie Wirich aus Neumagen, das 1153 durch Schenkung in den Besitz des Klosters Fraulautern gelangte. Äbtissin Sophie ließ 1780 ein Wohnhaus erbauen und verpachtete den Hof. 1766 fiel ganz Überherrn im Zuge des Gebietstausches an Frankreich. Nach dem 1. Pariser Frieden 1814 noch zu Frankreich gehörig, kam der westliche Saarraum nach dem 2. Pariser Frieden 1815 an Preußen. Der seither in preußischem Staatsbesitz befindliche Linslerhof wurde 1824 an die Wallerfanger Familie de Galhau verkauft. Die Gestalt der heutigen Gebäude entstand nach diesem Besitzwechsel, sie stammen aus der Mitte und zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aus den 1920er Jahren sowie aus den Jahren 1940, 1943 und 1950. Vor einigen Jahren hat ein Mitglied der Familie hier ein exklusives Hotel mit privater Jägerschule eröffnet.

Quellen und weiterführende Literatur

Adler, Beatrix, Wallerfanger Steingut. Geschichte und Erzeugnisse der Manufaktur Villeroy Vaudrevange (1791–1836) bzw. der Steingutfabrik Villeroy & Boch Wallerfangen (1836–1931), Saarbrücken 1995.

Caspary, Hans, Rheinland-Pfalz, Saarland (Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler/Neubearbeitung durch die Dehio-Vereinigung), 2. Auflage, München 1984.

Müller, Guido, Die Familien Villeroy und de Galhau im Saarland, Saarlouis 1991.

Saam, Rudolf, Beitrag zur Baugeschichte neugotischer Kirchen an der Saar. Zum Leben und Werk des Baumeisters Carl Friedrich Müller. Sonderdruck aus: Saarbrücker Hefte 48 (1978), S. 49.

Schmitt, Armin, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße Saar-Lor-Lux, 2. Auflage, Saarbrücken 1995, S. 20–27, 44–45.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 95–97, 242–243, 256–278, 318–319, 323–325.

Thomas, Thérèse, Die Rolle der beiden Familien Boch und Villeroy im 18. und 19. Jahrhundert, Saarbrücken 1974.

Villeroy & Boch. Ein Vierteljahrtausend europäische Industriegeschichte 1748–1998, Mettlach 1998.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.