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Gerhild Krebs

Die Saar als Großschiffahrtsstraße und der Saar-Kohlen-Kanal

Saarkran, linkes Saarufer neben Wilhelm-Heinrich-Brücke, Saarbrücken; Saar-Schleuse und Schleusenwärterhaus, Saarstraße, Güdingen/Saarbrücken; Schiffer-, Halfenhäuser und Halfenschenken: Herrenstraße 10, Fremersdorf/Rehlingen-Siersburg; Saareckstraße 11, Schwemlingen/Merzig; Poststraße 1a, Merzig; Nohner Straße, Dreisbach/Mettlach

Saarschiffahrt im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit

Seit dem Spätmittelalter befaßte man sich mehrfach mit Plänen, den für ganzjährige Schiffahrt chronisch zu niedrigen Wasserstand der Saar zu erhöhen und sie flußaufwärts ab Saarbrücken besser für den Schiffsverkehr zu erschließen. Im 17. Jahrhundert stieg der Wasserstand der Saar und erreichte höhere als die heutigen Werte, was eine Erhöhung des Schiffsverkehrs nach sich zog – mit Schiffen von damals ca. 35–80 t Ladekapazität, die in Zügen aneinander gekoppelt wurden. Die Nutzung des Flusses als Verkehrsweg erhöhte sich während des 18. Jahrhunderts besonders stark durch Flößer, die mit dem Holz aus den Vogesen und aus den Saarwäldern auf dem Weg nach Holland waren. In dieser Zeit wurden viele Verladestellen und mehrere neue Häfen angelegt. Ab dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde Kohle verstärkt als Massentransportgut den Fluß hinab verschifft, um die Hütten an Mosel, Mittelrhein und Lahn zu versorgen und von der Lahn Erze zur Verhüttung an die Saar zu bringen. Im Rheintal war der Absatzmarkt für Saarkohle jedoch beschränkt durch die vergleichsweise kürzeren Transportwege der Ruhrkohle. Im späten 18. Jahrhundert wurden hauptsächlich Holz, Glas, Bausteine, Kalk und lothringisches Salz als Talfracht transportiert, flußaufwärts kamen als Bergfracht niederländische Kolonialwaren ins Saarrevier (Zollstation Saarhölzbach) und Kohle zu den Lothringer Salinen. In dieser Zeit wurde das in Lothringen und an der Saar hergestellte Glas auf Einwegbooten abtransportiert: Die speziell für den Glastransport gebauten Boote wurden zunächst in Amsterdam entladen und die Ladung verkauft, schließlich wurde auch entweder das Boot als Ganzes oder das Holz stückweise verkauft. Die Schiffer reisten stets über Land zurück, da bis zum 19. Jahrhundert der Weg flußaufwärts zu anstrengend gewesen wäre. Der Transport saarländischer Kohle zu den Lothringer Salinen ab Saarbrücken und von lothringischem Salz bis Saarbrücken wurde mehrheitlich von Bauern mit Pferdefuhrwerken bewältigt.

Saar-Kohlen-Kanal

Der französische Staat zeigte zunehmendes Interesse an der Saar als Wasserstraße, nachdem Lothringen 1766 an die französische Krone gefallen war. Eine Verbindung der Saar mit der oberen Mosel wurde vorgeschlagen, um die Kohleversorgung der lothringischen Salinen weiter zu verbessern.

Auch Napoleon war sehr am Kanalbau interessiert. 1802 erwog man eine Rhein-Saar-Mosel-Verbindung und seit 1805 plante man, einen Kanal vom Salinengebiet bei Dieuze bis nach Sarralbe zu führen, der durch eine Kanalisierung der Saar zwischen Sarralbe und Saarbrücken ergänzt werden sollte, um die Kohle zu den Salinen zu schaffen. 1806–1813 wurden mehrere Schleusen am Flußabschnitt zwischen Sarreguemines und Saarbrücken gebaut sowie der Bau des Salinenkanals begonnen. Das Ende der napoleonischen Herrschaft verhinderte die weitere Durchführung des Projektes im mittleren und unteren Flußabschnitt, der nun zu Preußen gehörte.

Unter preußischer Herrschaft führte die Industrialisierung auch am Unterlauf seit etwa 1820 zu intensiv regulierenden Eingriffen in den saisonal unterschiedlichen Wasserstand der Saar. Ziel war es dabei, eine Mindestfahrtiefe zu garantieren. Es handelte sich jedoch nicht um einen dauerhaften Ausbau zur Wasserstraße, sondern lediglich um Maßnahmen wie das Freihalten der Fahrrinne und den Buhnenbau. Diese Maßnahmen waren ähnlich kostenintensiv wie eine Kanalisierung, behoben aber nicht dauerhaft die strukturellen Schwächen der unteren Saar als Schiffahrtsstraße. Die preußischen Eingriffe in den unteren Flußlauf zogen gleichwohl weitreichende Konsequenzen nach sich. Sie führten unter anderem zum Verschwinden zahlreicher Saarfurten, machten dadurch das Passieren des Flusses für Fußgänger unmöglich und brachten zugleich viele Saarschiffer und -lotsen um ihre Existenz, da nun keine speziellen Kenntnisse und wesentlich weniger Personal benötigt wurden, um den Unterlauf zu befahren.

Verhandlungen für einen Kanalisierungsvertrag zwischen König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Napoleon III. begannen 1841. Der Saar-Kanal sollte die Anbindung des Saarreviers an den seit 1838 geplanten Rhein-Marne-Kanal sichern (1844–1863 gebaut). Bis 1850 wurden 84000 Fuder Kohle – mehr als ein Viertel der gesamten damaligen Fördermenge – auf dem Wasserweg talab transportiert. Die bestehenden Pläne für den Kanalausbau der Saar wurden von Hüttenbaron Stumm und anderen Befürwortern der Eisenbahnlinien verzögert; Stumm hatte dabei den Nutzen seiner abseits der Saar gelegenen Hütten gegenüber den Konkurrenten an der Saar (in Dillingen bzw. ab 1856 auch in Burbach) im Sinn. Um von der weiterhin unsicheren, da vom Wasserstand abhängigen Transportsituation unabhängig zu werden, gründeten Saarbrücker Kohlenhändler in diesen Jahren verschiedene Niederlassungen an den Zielorten, z.B. errichtete die Firma Carl Schmidtborn 1850 im lothringischen Thionville (Diedenhofen) und 1854 im elsässischen Mühlhausen (Mulhouse) je eine Niederlassung. Der Absatz in den flußabwärts gelegenen Gebieten war nicht hinreichend groß, daher blieben insgesamt die Landwege wichtiger.

Der Staatsvertrag zwischen Preußen und Frankreich kam erst 1861 zustande. Die 20jährige Verzögerung der Kanalpläne verschaffte dem Ausbau des Schienennetzes den von Stumm gewünschten Vorsprung. Dies erwies sich als fatal für die gewerbliche Flußschiffahrt auf der Saar, denn ab 1860 übernahm die Eisenbahnlinie Saarbrücken–Trier den größten Teil des nord-südlichen Kohletransports. Der Malstatter Hafen wurde zur zentralen Nahtstelle zwischen Flußtransport und Schienentransport, aber vorwiegend für die Bergfahrt. Die Talfahrt kam fast ganz zum Erliegen; dies führte zum drastischen Rückgang an Schiffen und Personal, nachdem sich dieser Erwerbszweig in der ersten Hälfte des Jahrhunderts gerade erst so stark entwickelt hatte. Die Zahl der Partikuliere, d.h. der Eigner von bis zu drei Schiffen, ging stetig zurück. Der Saar-Kohlen-Kanal verband seit 1866 die kanalisierte Saar (zwischen Saargemünd und Luisenthal 1862–1865) über eine Kreuzung im Étang de Gondrexange (Weiher von Gundrexingen) mit dem Rhein-Marne-Kanal und der Rhône. Während der Weg saarabwärts von der Eisenbahn übernommen wurde, nahm der bergseitige Schiffsverkehr von Saarbrücken in Richtung des französischen Kanalnetzes weiter zu. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg gehörte das Kanalnetz in Elsaß und Lothringen zum Deutschen Reich. Nun trieb man im Saarrevier die Saarkanalisierung saarabwärts weiter voran, um das bereits vorhandene Netz im Reichsland Elsaß-Lothringen für die ganze Saarindustrie in Fahrtrichtung Oberrhein zu erschließen. Zwischen 1875 und 1879 wurde flußabwärts die Strecke von Luisenthal bis Ensdorf kanalisiert, das Gefälle von 90 Metern zwischen dem Rhein-Marne-Kanal und dem Saarpegel bei Ensdorf wurde nun mit insgesamt 36 Schleusen und Staustufen überwunden. Hauptumschlagplatz an der Strecke blieb der große Saarbrücker Hafen mit Platz für rund 120 Pénichen. Ein geplanter zweiter großer Hafen unterhalb von Luisenthal wurde nie gebaut. Die Kanalisierung der mittleren Saar und der Bau des Saar-Kohlen-Kanals lohnten sich nicht mehr, da der Verkehr auf dem Wasser selbst zu den besten Zeiten nur einen Bruchteil des Verkehrs auf der Schiene darstellte. Auch nutzte der Anschluß an die französischen Absatzmärkte wenig, da diese in ihrer Bedeutung für das Saarrevier stetig abnahmen, während die süddeutschen Märkte immer wichtiger wurden. Nur für Ziele westlich von Nancy und südlich von Straßburg wäre der Schiffstransport ab Saarbrücken weiterhin der billigere Weg gewesen, aber mit der Fertigstellung des französischen Ostkanals 1889 endete die Chance auf neue Märkte in Frankreich, denn nun kam bergwärts die neue Konkurrenz der nordfranzösischen und belgischen Kohle. Spätere deutsche und französische Pläne zum weiteren Ausbau der Saar, der Mosel oder des Saar-Kohlen-Kanals wurden aus verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Gründen jahrzehntelang nicht realisiert, obwohl das Interesse zumindest an einer besseren Anbindung Lothringens über die Saarindustrie und die lothringischen Erzgruben weit hinausging: Die stark phosphorhaltigen Minette-Erze waren seit der Einführung des Thomas-Verfahrens auch für die Hütten an der Ruhr wichtig geworden, weil ab 1880 auch mit den Minette-Erzen hochwertiger Stahl produziert werden konnten.

Im Zuge der Wiedereingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik wurde 1956 ein Staatsvertrag mit Frankreich zur Kanalisierung der Mosel zwischen Thionville (Diedenhofen) und Koblenz geschlossen. Als die Mosel 1964 zur Großschiffahrtsstraße ausgebaut war, sah sich die saarländische Montanindustrie gegenüber der lothringischen und besonders gegenüber der Ruhrindustrie wieder erheblich benachteiligt. Man verlegte den Transport auf die Schiene, und spezielle niedrigere Frachttarife der damaligen Bundesbahn glichen den Nachteil aus. Diese verbilligten Tarife wurden aber vom Europäischen Gerichtshof als Wettbewerbsverzerrung bezeichnet und verboten, so daß erneut der Ausbau der Saar zur Großschiffahrtsstraße geplant, 1973 beschlossen und 1976–1987 durchgeführt wurde. Die mit der Kanalisierung verbundenen weiteren Arbeiten in Dillingen fanden 1992 nur ihren vorläufigen Abschluß; die Arbeiten am Abschnitt bis Saarbrücken gehen weiter. Seit 1992 findet der Schiffsverkehr zwischen Dillingen und Konz nach Vorgabe der Moselmaße statt: Einzelschiffe bis 1350 t, Schubverbände bis 3300 t Nutzlast, mit dem Dillinger Hafen als Verladestation und vorläufigem Endpunkt.

Halfenhäuser, Schleusen und Schleusenwärterhäuser

Aus der langen Entwicklungsgeschichte der Saarschiffahrt haben sich im Saarland verschiedene Bauten und Objekte erhalten, dazu zählen ehemalige Halfen- und Schifferhäuser, Halfenschenken, Schleusen, Wehre und Schleusenwärterhäuser sowie Flußbagger und Schiffe.

Die Bergfahrt war vom 18. bis ins 20. Jahrhundert nur möglich durch das Treideln der Schiffe, d.h. sie wurden mit Hilfe von Pferdegespannen gezogen, später auch mit Traktoren. Die Gespanne gingen auf schmalen gepflasterten Uferwegen, den Treidelpfaden. Am schwierigen unteren Flußlauf entwickelte sich daraus ein eigener Berufsstand. Die sogenannten Halfen waren Bauern, die im Nebenerwerb ihre Gespanne schwerer Pferde, meist belgische Kaltblüter, zu je drei pro großem Schiff im „Gefährts“ (Schiffszug) einsetzten. Für die Strecke von Trier bis Saarlouis brauchte man auf diese Weise drei Tage, von da an bis Saarbrücken war das Wasser ruhig und man arbeitete mit leichteren Pferden. In Merzig (Poststraße 1a) befindet sich noch ein Halfenhaus, der eingeschossige Bau mit abgewalmtem Mansarddach wurde ca. 1750 erbaut; ein „Halfenweg“ im Stadtkern erinnert an das Treideln. Im heutigen Stadtbild von Merzig ist jedoch das Halfenhaus, in dem heute eine Gastwirtschaft untergebracht ist, durch die massive moderne Bebauung architektonisch isoliert und gegenüber der nahen Fußgängerzone in eine abseitige Lage an einer Hautpverkehrsstraße abgedrängt. In Fremersdorf (Herrenstraße 10) hat sich ebenfalls ein barockes Halfenhaus erhalten, mit zweigeschossigem Wohnteil über Gewölbekellern; die ursprünglichen Stichbogenfenster, die Portalrahmung, der Rauchfang und der Backofen sind noch vorhanden. Halfenschenken gab es an der unteren Saar zwischen Wallerfangen und Kanzem in dichter Folge. Eine ehemalige Halfengaststätte von 1784 steht noch in Schwemlingen (Saareckstraße 11); der zweigeschossige Bau mit zwischenzeitlich veränderter Fassade hat Rechteckfenster und ein Geschoßgesims als gliedernde Elemente. An der doppelseitigen Freitreppe sind seitlich noch die Ringe zum Festbinden der Halfenpferde vorhanden, und an der Gebäudeecke befindet sich eine Figur des heiligen Nikolaus.

Am deutlichsten spiegelt in Dreisbach/Mettlach nahe der Saarschleife ein Ensemble barocker Gebäude (Nohner Straße) die Welt der Saarschiffer und Halfen. Anfang des 19. Jahrhunderts kam eine Halfenschenke zu den Barockbauten der kleinen Anwesen von Schiffer- und Fischerhäusern. Das Ensemble besteht aus der zusammenhängenden älteren Ortslage von Dreisbach und zeigt die alte Dorfstruktur eines ganz vom Gewerbe der Schiffer geprägten Ortes im Zustand des 18. Jahrhunderts. Allerdings sind einige Häuser so stark eingreifend und den historischen Zusammenhang negierend umgebaut worden, daß sie als historische Bauten kaum noch zu erkennen sind. Fährt man heute durch Dreisbach, ohne die Schiffer- und Halfenhäuser bewußt zu suchen, wird man sie nicht identifizieren können. Das ehemalige Halfenhaus, das den Kern des Ensembles bildete, wurde inzwischen abgerissen. Das sehenswerte Anwesen der Halfenschenke steht leer, befindet sich in einem katastrophalen baulichen Zustand und ist derzeit (September 2000) wegen Einsturzgefahr gesperrt.

Der Handel auf der Saar mit dem sogenannten Holländerholz, das aus den Vogesen und den Saarwäldern kommend bis nach Holland geflößt wurde und auf dem Rückweg für den Import von Kolonialwaren aller Art sorgte, machte bereits im späten 18. Jahrhundert die Saarbrücker Kaufleute zu einer immer einflußreicheren Gruppe. Die Kaufleute hatten sich seit 1760 zu einer Interessenvertretung in Gestalt der „Krahnenkompanie“ zusammengeschlossen, um den Bau eines Saarkrans zu finanzieren, der intensiv genutzt wurde. Vorgängerbauten hatte es an der gleichen Stelle schon im Mittelalter gegeben. 1801 konstituierte sich unter den Bedingungen der französischen Herrschaft die Vereinigung der Kaufleute als „Krahnengesellschaft“ neu. 1834 regte der Saarbrücker Landrat Dern die damals 38 Mitglieder der Vereinigung zum Bau eines neuen Krans an. 1845 bekam der Kran ein neues Triebwerk, gebaut von Ludwig Heinrich Zix. Die technische Auslegung genügte schon 1859 nicht mehr den Anforderungen der Zeit. Die Firma Dingler & Karcher errichtete in diesem Jahr noch einen neuen Kran, doch seit der Ankunft der Eisenbahn 1849 waren die Einnahmen aus dem Kranbetrieb stark rückläufig. Der Schwerlastverkehr ging immer mehr auf die Schiene über, so daß der Kran seine Bedeutung für den Massengütertransport verlor. Der Kran, der dem Leinpfad auf der Saarbrücker Flußseite im Wege stand, wurde 1864 verkauft. Ein Nachbau des historischen Saarkrans steht heute im Stadtzentrum von Saarbrücken, sein Bau wurde von geschichtsbewußten Saarbrücker Kaufleuten finanziert.

Die Schleusen des Saar-Kohlen-Kanals und der kanalisierten Saar waren auf die geringe Breite der für die Saarschiffahrt typischen Pénichen ausgelegt. Neben jeder Schleuse befand sich das Haus eines Schleusenwärters. Die Staustufen bestanden aus Nadelwehren, einem Wehrtyp, der störanfällig und nur bei relativ flachem Wasser einsetzbar ist. Die Stauwirkung eines Nadelwehrs wird erzielt mit Hilfe von langen dünnen Holzstangen, den sogenannten Nadeln. Das letzte Nadelwehr an der Saar, das der sogenannten „Alten Schleuse“, zugleich auch bundesweit das letzte und damit ein technikgeschichtliches Dokument ersten Ranges, wurde inzwischen dem Saarausbau geopfert. Der daneben liegende Saarbrücker Hafen wurde nach dem Krieg zugeschüttet. Lediglich die städtebauliche Bezeichnung „Hafeninsel“ erinnert noch daran. Dort befinden sich seit den 1950er Jahren die Kongreßhalle und ein Hotelgebäude. Zuletzt wurden in den späten 1980er Jahren der sogenannte „Bürgerpark“, in den 1990ern der Neubau des Arbeitsamtes, ein Bankgebäude sowie ein Parkhaus errichtet. Die Staustufe Güdingen (Schleuse und Wehr) wurde im Frühjahr 1863 fertiggestellt. Das Fischbauch-Klappenwehr unterhalb des ursprünglichen Nadelwehrs war eine Modernisierung des Jahres 1936, ebenso wie das Schleusenwärterhaus. Nach Abschluß des zur Zeit laufenden Ausbaus der Saar zur Großschiffahrtsstraße wird Güdingen die letzte intakte Schleusen- und Wehranlage des alten Saarausbaus auf deutschem Gebiet sein.

Ein anderes Schleusenwärterhaus aus dem 19. Jahrhundert befindet sich flußaufwärts in Sarreguemines, mitten in der Stadt auf der durch die Schleuse gebildeten künstlichen Insel. Die Schleusen am lothringischen Saar-Kohlen-Kanal sind größtenteils automatisiert, die wenigsten werden noch wie zur Bauzeit manuell mit Handwinden und Zahnstangen geöffnet und geschlossen. Dies tun heute die Schiffsbesatzungen, da es keine Schleusenwärter mehr gibt. Die Fahrt von Saarbrücken bis Paris dauerte nach dem Bau des Saar-Kohlen-Kanals rund vier Wochen. Viele Pénichen, deren Ladekapazität bei rund 360 t lag, hatten damals einen eingebauten Pferdestall für ihre Treidelpferde. In Frankreich war der Treidelbetrieb verstaatlicht; die Schleusen waren oft gleichzeitig Pferdestationen. Das letzte Treidelschiff auf der Saar, die Anna Leonie (1926), liegt fest verankert an der Kongreßhalle in Saarbrücken, seit durch die 1992 abgeschlossene Saarkanalisierung das Treideln unmöglich wurde. Der Dampfkettenbagger Atlas (1876), der letzte betriebsfähige Dampfschwimmbagger der Bundesrepublik, mußte 1987 der Saarkanalisierung weichen. Er liegt seither mit seinem Schleppschiff und den zwei zugehörigen Schuten Max und Moritz fest verankert an der Schleuse Völklingen.

Regionalhistorischer Kontext

Über die Jahrhunderte hinweg haben die deutschen und französischen Anlieger die Saar benutzt, das Saarbett verlegt, die Fahrrinne ausgebaggert und den Fluß schließlich weitgehend kanalisiert. Massive Naturschäden und bleibende Veränderungen im sozialen Gefüge wurden dadurch ausgelöst. Die erste schriftlich belegte Flußbegradigung in der Frühen Neuzeit war ein Luxusobjekt mit kulturpolitischem Hintergrund: Die Laufverlagerung durch Erdaufschüttung und Bau einer Mauer diente den Nassau-Saarbrücker Landesherren zum Ausbau ihres barocken Schloßgartens nach Versailler Vorbild. Wirtschaftliche und militärische Interessen spielten bei den napoleonischen Kanalplänen für die Saar (ähnlich wie beim späteren Rhein-Marne-Kanal) die entscheidende Rolle. Viele Saarschiffer, Halfen und Schiffsbauer verloren bereits im späten 19. Jahrhundert ihren Beruf durch die forcierte Entwicklung der Eisenbahn und der Kanalisierung. Etliche wanderten in andere Gegenden oder Länder ab, wo sie, wie z.B. in Holland, noch ihr Auskommen fanden. Andere blieben, mußten aber seit Beginn des 20. Jahrhunderts immer weitere Rückschläge hinnehmen.

In den 1920er Jahren kam die Idee eines Saar-Pfalz-Kanals auf. Sie war eine Reaktion der Wirtschaft des Saargebietes und Deutschlands auf die seit Jahrzehnten geplante und 1928 beginnende französische Moselkanalisierung, die eine stärkere Anbindung der Saar an die französischen Erzlager und Absatzmärkte bewirkt hätte. Der Saar-Pfalz-Kanal sollte spiegelverkehrt das gleiche für Deutschland leisten. Sein Bau wurde auch 1935 weiterverfolgt und sollte ein technisches und politisches Prestigeobjekt der nationalsozialistischen Regierung werden, wurde aber wegen voraussehbarer Unrentabilität verzögert und wegen des Kriegsausbruches nicht realisiert. Außer einigen Durchstichen und Flußbegradigungen zwischen Saarlouis und Merzig in den Jahren 1937–1941 wurden bis 1964 keine weiteren diesbezüglichen Ideen über das Planungsstadium hinaus realisiert. Die Zeche des unrentablen Wasserweges zahlten ab den 1960er Jahren die Schleusenwärter und die letzten 100–150 noch verbliebenen Saarschiffer: Ihre Berufe sind heute ganz bzw. fast ausgestorben. Die Schleusenwärter wurden durch die automatische Steuerung der Schleusen seit den 1970er Jahren wegrationalisiert. Ankerten in den frühen sechziger Jahren täglich noch etwa zehn oder zwölf Pénichen in Saarbrücken, so sind sie heute als Lastschiffe aus dem Flußbild verschwunden – nur einige Restaurant- und Wohnschiffe sind übrig geblieben. Heute sind noch ganze zehn Lastschiffe saarländischer Eigner übrig, die teilweise ihr Geld mit dem Abtransport des Aushubs beim Ausbau der Saar verdienen, also bei dem Vorgang, der zur Vernichtung ihres Gewerbes wesentlich beiträgt.

Der heutige Saarausbau ist ein „in die Erde gegrabener Wettbewerbstarif“, wie es der damalige Oberbürgermeister von Saarbrücken, Hajo Hoffmann, gegenüber dem Saarländischen Rundfunk formulierte (Radiofeature „Kohle gegen Eier“, gesendet auf SR 2 am 14. August 2000). Dieser Wettbewerbstarif kommt aber nicht mehr saarländischen Schiffseignern zugute, sondern den großen Schiffseignern z.B. in den Niederlanden. Die saarländische Wirtschaft hat ebenfalls wenig davon. Die Produktionskapazität der saarländischen Montanindustrie wird ständig weiter zurückgefahren, ihre wirtschaftliche Bedeutung sinkt Jahr um Jahr, und die anderen saarländischen Industrien transportieren wenig auf dem Wasserweg. Damit zeichnet sich ab, daß die heutige Kanalisierung der Saar nicht nur immense ökologische Probleme für das Saarland mit sich gebracht hat, sondern – wie der Saar-Kohlen-Kanal zuvor – aus Sicht der Großregion Saar-Lor-Lux eine gigantische Fehlinvestition war. Die Eingriffe in den mittleren Flußlauf werden gleichwohl fortgesetzt.

Quellen und weiterführende Literatur

Burg, Peter, Saarbrücken im revolutionären Wandel (1789–1815), in: Wittenbrock, Rolf (Hg.), Geschichte der Stadt Saarbrücken, Bd. 1, Saarbrücken 1999, S. 455–518, dort 485f. und 493.

Ders., Saarbrücken im Aufstieg zum Zentrum einer preußischen Industrieregion (1815–1860), ebda., S. 519–616, dort S. 569f.

Leinen, Jo/Schmitz, Dietmar, Der ausgenutzte Fluß, in: Mallmann, Klaus-Michael/Paul, Gerhard u.a. (Hg.), Richtig daheim waren wir nie, Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815–1955, 2. Auflage, Bonn 1988, S. 123–127.

Schmitt, Armin, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße Saar-Lor-Lux, 2. Auflage, Saarbrücken 1995, S. 58–59, 74–75.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 91, 94, 124, 148, 277–278.

Van Dülmen, Richard/Labouvie, Eva (Hg.), Die Saar. Geschichte eines Flusses, St. Ingbert 1992.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.