Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Rolf Wittenbrock

Ehemaliges Schlachtfeld Spichern

Rue des Hauteurs de Spicheren, Spicheren

Die Spicherer Höhen, seit Jahrzehnten ein beliebtes Ausflugsziel für Saarbrücker und Besucher der Region, bilden seit dem Krieg von 1870/1871 einen wichtigen Ort der Erinnerung, an dem sich die bewegten Phasen der deutsch-französischen Beziehungsgeschichte brennpunktartig verdichtet haben. Sowohl die Zeiten der blutigen Konfrontation zwischen beiden Völkern als auch die Epoche der Aussöhnung und des freundschaftlichen Miteinanders sind für die regionale Erinnerungskultur eng mit den unmittelbar auf der deutsch-französischen Grenze liegenden Spicherer Höhen verbunden und haben hier die Kulturlandschaft dauerhaft geprägt. Die Schlacht auf den Spicherer Höhen war die erste große Schlacht des Krieges von 1870/1871. Daher wurde sie zu einem besonderen Symbol dieses Krieges, den beide Seiten noch Jahrzehnte später als Folge der Expansionsgelüste des jeweiligen Gegners sahen. Französische Befürchtungen vor der „deutschen Gefahr“ zogen nach 1945 eine Linie von 1939 zurück zu 1914 und 1870, zumal der deutsche Sieg 1871 zur Durchsetzung der im Spiegelsaal von Versailles verkündeten Reichsgründung geführt hatte. Dieser Sieg ließ Frankreich auf vielen Gebieten jahrzehntelang auf den deutschen Gegner fixiert bleiben, den vermuteten deutschen Stärken als Grund für die eigene Niederlage nachgehen und sie gelegentlich, etwa im Bildungswesen, als Vorbild nehmen. Auf deutscher Seite wurde der gleiche Sieg zu einem wesentlichen einigenden Band der „inneren Reichsgründung“, der Tag der Gefangennahme Kaiser Napoleons III. auf dem Schlachtfeld am 2. September 1870 wurde als „Sedanstag“ der wichtigste nationale Feiertag des Reiches.

Denkmäler zur Erinnerung an die Schlacht vom 6. August 1870

Der Sturm der Regimenter aus verschiedenen deutschen Staaten gegen die den Höhenzug bei Spichern verteidigenden Franzosen hinterließ auf beiden Seiten hohe Verluste: auf französischer Seite zählte man 4078 Tote, Verwundete und Vermißte, bei den deutschen Regimentern 4817 Mann, darunter mehr als 800 Tote. Schon bald nach 1870 wurden die gefallenen Soldaten im Ehrental beigesetzt, und auf dem Schlachtfeld entstanden für die beteiligten Regimenter die ersten Helden-Denkmäler. Zumeist an den Jahrestagen der Schlacht vom 6. August wurden weitere Denkmäler im Rahmen von feierlichen Zeremonien eingeweiht, und bald entwickelten sich die Spicherer Höhen zu einem nationalen Wallfahrtsort, wo die andächtigen Besucher wie bei den Stationen eines Kreuzweges von einem Monument zum andern pilgern konnten.

Geht man vom Parkplatz vor dem Gasthaus Woll in Richtung Saarbrücken, erreicht man nach 100 m zwei Denkmäler aus dem Jahr 1872: Auf der linken Seite des Weges steht das Denkmal des Niederrheinischen Füsilierregiments Nummer 39. Ursprünglich befand sich auf der abgebrochenen Spitze ein Adler, der aber vermutlich während des Ersten oder Zweiten Weltkrieges abgeschossen wurde. Auf der rechten Seite steht das Denkmal des Hohenzollernschen Füsilierregiments Nummer 40. Um es genauer zu betrachten, kann man die Stufen emporsteigen, durch das Tor des schmiedeeisernen Zaunes, der das Denkmal umgibt, hindurchgehen und es sich von allen Seiten anschauen. Geht man den Weg weiter, so öffnet sich der Blick auf ein freies Feld und der Besucher entdeckt die Skyline von Saarbrücken. Der Weg der Erinnerung führt am Ende des Feldes rechts und links zu zwei weiteren Denkmälern. Auf der rechten Seite befindet sich das Denkmal des 5. Brandenburgischen Infanterieregiments Nummer 48, dessen Frontseite ein steinerner preußischer Adler schmückt. Von diesem Denkmal aus kann man über einen kleinen Pfad zum linken Denkmal gehen. Doch bevor man es erreicht, bemerkt man ca. 10 m vor ihm eine kleine umzäunte Stelle: es ist die Gedenkstätte des Generals Bruno von François, der hier bei der Erstürmung des Berges fiel. Von hier aus gelangt man zum Denkmal des Hannoverschen Infanterieregiments Nummer 74, das bereits 1871 errichtet wurde, aber leider schon ziemlich verwittert ist.

Während die bisher genannten Erinnerungsstätten das Andenken der siegreichen deutschen Soldaten und Offiziere ehrten, entstand ein Denkmal für die französischen Gefallenen erst nach der Rückkehr Lothringens und damit Spicherns in den französischen Staatsverband. Auf Initiative des Souvenir Français wurde am 6. August 1934 ein 15 m hohes Betonkreuz mit der Inschrift „Aux soldats français morts le 6 août 1870“ eingeweiht. Dieses weithin sichtbare Denkmal unterscheidet sich durch seine klare und schlichte Form von den früher errichteten, eher verherrlichenden Monumenten und hat vor allem einen mahnenden Charakter. Es ist das letzte steinerne Zeugnis, das die nachfolgenden Generationen zur Erinnerung an die Schlacht von 1870 errichteten.

Die Spicherer Höhen im Zweiten Weltkrieg

Da die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich nach 1918 wieder unmittelbar an den Spicherer Höhen verlief, wurde das Gebiet erneut zum militärischen Operationsfeld. Mit dem Bau des Westwalls entstanden verschiedene Verteidigungsanlagen, die zum Teil noch heute als stumme Zeugen der Konfrontation das Landschaftsbild prägen. Im Oktober 1939 besetzten deutsche Soldaten eine Vorpostenlinie auf dem Spicherer Berg, also auf französischem Boden. Man errichtete Stacheldrahtverhaue, baute weitere Bunker am Rand der Ortschaft Spichern und zog Schützen- und Laufgräben.

Zum Weihnachtsfest 1939 kam Hitler ins Saarland und besuchte die Soldaten in einem hölzernen Unterstand in unmittelbarer Nähe des heutigen Sportplatzes von Spichern. Der Unterstand ist nicht mehr erhalten, aber jahrelang erinnerte eine Gedenktafel an jenen Besuch. Nach der militärischen Niederlage Frankreichs verloren die Verteidigungswerke bei Spichern ihre Bedeutung. Erst 1944 bekam der Westwall wieder eine strategische Funktion. Aber die Bunker, die zusätzlich errichteten Schanzen, Laufgräben und Tankfallen konnten das Vordringen der Alliierten nicht aufhalten. Mehrere Bunker aus dieser Zeit sind noch erhalten und von außen sichtbar, so z.B. der Bunker direkt neben dem Sportplatz am Ortseingang nach Spichern. An der gleichen Straße befindet sich ein deutscher Soldatenfriedhof. Er wurde 1952 von der Stadt Saarbrücken zum Gedenken an die 1940 Gefallenen angelegt. Die Gräber sind bewußt einheitlich angelegt. Hier ruhen auch zwei unbekannte russische Gefangene. In unmittelbarer Nähe steht seit 1995 ein amerikanischer Panzer. Er wurde von einer Infanteriedivision gestiftet, die 1945 gegen die deutschen Armeen kämpfte.

Ein gemeinsamer Ort der Erinnerung

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich auf den Spicherer Höhen eine Erinnerungskultur entwickelt, die ganz im Zeichen der Aussöhnung und deutsch-französischen Freundschaft steht. Ein historischer Lehrpfad, der am Erweiterten Polizeigefängnis Neue Bremm beginnt, führt über verschiedene Stationen hinauf zu den Erinnerungsstätten auf den Spicherer Höhen. Seit einigen Jahren gibt es, angeregt und organisiert von den Städten Saarbrücken, Forbach und Spichern, gemeinsame deutsch-französische Kulturfeste auf den Spicherer Höhen oder in unmittelbarer Nähe. Das gesamte Areal trägt jetzt die Bezeichnung „Deutsch-Französischer Kultur- und Naturpark Spicheren“, und zur Erinnerung an die Opfer der Kriege gibt es am Spicherer Kreuz gemeinsame Gedenkfeiern und Kranzniederlegungen.

Quellen und weiterführende Literatur

Meyer, Vincent/Walter, Jacques, Les médiations mémorielles des batailles de Spicheren, in: Médiation et information 15 (2001), S. 67–79.

Ruppersberg, Albert, Saarbrücker Kriegschronik, Ereignisse in und bei Saarbrücken und St. Johann sowie am Spicherer Berge 1870, Saarbrücken 1895, Neudruck St. Ingbert 1978.

Stadtgalerie Saarbrücken (Hg.), Ein Gang über die Spicherer Höhen, Texte einer Schülergruppe des Deutsch-Französischen Gymnasiums, Saarbrücken 1987.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.