Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Frauenwohnheim St. Arnual

Koßmannstraße 12, St. Arnual/Saarbrücken

Baugeschichte

Das Frauenwohnheim, ein v-förmiger zweiflügeliger Bau mit verglastem Treppenhaus, wurde 1952/1953 nach Entwürfen von Hans Hirner (Saarbrücken) unter Bauleitung von Albert Dietz im Auftrag der Regierung des Saarlandes errichtet und im Dezember 1953 fertiggestellt. Heute dient das äußerlich unveränderte Gebäude, das inzwischen unter Denkmalschutz steht, weiterhin zu Wohnzwecken. Wohnraum war im zu 80% zerstörten Saarbrücken Anfang der fünfziger Jahre noch knapp und wurde amtlich bewirtschaftet. Die Personengruppe der alleinstehenden Frauen fand sich wegen der Vergabekriterien stets am Ende langer Wartelisten. Dr. Hedwig Behrens (1900–1984), die erste Frauenbeauftragte des autonomen Saarlandes, initiierte das Bauprojekt, um zur Behebung dieser Situation im Sinne der betroffenen Frauen beizutragen. Die Einzelwohnungen des Wohnheims sollten neuen Wohnraum für alleinstehende, berufstätige Frauen schaffen. Doch seinen Zweck konnte das Heim nicht erfüllen: Die Zielgruppe berufstätiger alleinstehender Frauen konnte mit ihrer gegenüber den Männergehältern geringeren Entlohnung das Geld für die hohen Mieten nicht aufbringen. Diejenigen, die es gekonnt hätten, hatten kein Interesse, sich von einer rigiden Hausordnung gängeln zu lassen, die „Herren- und Damenbesuche“ in den Wohnungen verbot. Das Haus stand daher zunächst leer. Schließlich wurden die Wohnungen an ältere Frauen vermietet. Bald hatte das Wohnheim wegen dieser Notlösung im Volksmund den Spitznamen „Drachenburg“. Das in bester sozialpolitischer Absicht begonnene Projekt wurde zum Mißerfolg für Dr. Behrens wie für die Regierung von Ministerpräsident Johannes Hoffmann. Doch ist es ein Beispiel für das weite Spektrum bemerkenswerter sozialer Initiativen, welche das französisch geprägte Autonomie-Jahrzehnt nach Kriegsende an der Saar charakterisierten.

Quellen und weiterführende Literatur

Gehlen, Rita, „Von einer menschenwürdigen Unterbringung kann hier keine Rede sein.“ Zur sozialen Problematik der Wohnsituation im Saarbrücken der Nachkriegszeit, in: Von der „Stunde 0“ zum „Tag X“. Das Saarland 1945–1959, Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloß, Saarbrücken 1990, S. 65–74.

Dies., „...da meine Arbeit an der Saar nicht immer einfach gewesen ist.“ Hedwig Behrens (1900–1984): Die erste Frauenbeauftragte des Saarlandes, in: Keinhorst, Annette/Messinger, Petra (Hg.)/Hoherz, Hilde (Mitarb.), Die Saarbrückerinnen, Saarbrücken 1998, S. 99–100.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 157.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.